Grundrechtstag 2021: Krankheit und Freiheit

Bereits beim Grundrechtstag 2019 haben wir uns mit den Veränderungen des liberalen Rechtsstaates in der Erscheinungsform der sogenannten „Postdemokratie“ beschäftigt und dabei Einschränkungen und bedenkliche „Neuinterpretationen“ grundrechtlicher Schranken und Schutzbereiche konstatiert. Das Gegenüber ist hier klar umrissen. Es ist der Staat, der illiberale Politik betreibt, indem er bürgerliche Freiheitsrechte beschneidet und die Ungleichheit im sozialen und wirtschaftlichen Leben nicht ausgleicht, sondern Eliten und deren Interessen vielmehr sogar stützt und fördert.

Grafik GRT 2021 7.4.2021

Doch nun ist plötzlich eine neue und unerwartete Bedrohung unserer grundrechtlich verbrieften Freiheitsrechte in unser Leben getreten und hat den gesamten Planeten erfasst. Was tun, wenn das Gegenüber, das Beschränkungen unserer Freiheiten erzwingt, aber auf einmal nicht der Mensch/Staat, sondern ein Virus ist, das sich jeder Diskussion über sein Wirken und dessen Konsequenzen entzieht? Wenn auf der einen Waagschale der Verhältnismäßigkeitsprüfung weitreichende Eingriffe in unsere bürgerlichen Freiheitsrechte und auf der anderen Waagschale der Schutz der Gesundheit liegen? Wenn die individuelle Gesundheit Vieler und darüber hinaus gar die allgemeine Gesundheitsversorgung der Bevölkerung auf dem Spiel stehen? Hier stoßen Juristinnen und Juristen an ihre Grenzen; die Fragestellungen, die uns diese Pandemie aufzwingt, gehen viel weiter. Sie konfrontiert uns mit der grundlegendsten Sinnfrage unserer Existenz: Was ist der Mensch? Oder etwas konkreter: Was macht unser Leben aus? Was brauchen wir zum Menschsein? Wo beginnt Krankheit? Wo endet persönliche Freiheit? Welche Bedeutung haben Gesellschaft, Gemeinwohl und Solidarität?

Mit dem diesjährigen Grundrechtstag haben wir versucht, ein paar Schlaglichter auf diese Grundfragen des Lebens zu werfen und sie soweit möglich auf Kategorien herunterzubrechen, die verständlich und im (auch juristischen) Alltag lebbar sind. Wir haben die Frage gestellt, was Angst mit unserer individuellen Freiheit zu entscheiden macht, und haben den Umgang der Gesellschaft mit Angst und Krankheit in einem kulturgeschichtlichen Abriss sowie das „Recht auf Krankheit“ beleuchtet. Wir fragten nach einer „Rangordnung der Grundrechte“ und beschäftigten uns mit Rechtsschutz in Krisenzeiten. Selbstverständlich wollten wir auch angesichts dieser größten Krise seit Ende des 2. Weltkriegs nicht die Rolle der staatlichen Politik aus den Augen verlieren, die sie bei den Versuchen der aktuellen Krisenbewältigung einnimmt.

Tagungsfolder

Einige Beiträge des Grundrechtstags 2021 wurden im Journal für Rechtspolitik, Heft 4 / 2021, publiziert.

VORTRAGSFOLIEN/BEITRÄGE – SOWEIT SIE VON VORTRAGENDEN ZUR VERFÜGUNG GESTELLT WURDEN

Bußjäger: Rangordnung der Grundrechte in der Krise Steinbichler: Rechtsschutz in Krisenzeiten - Garantien der EMRK

VIDEOS

Begrüßung und Eröffnung

1. Vortrag: Angst – Motor oder Mörder von Freiheit?

2. Vortrag: Pest. Macht. Gesellschaft. Pandemien in historischer Perspektive

3. Vortrag: Die Rangordnung der Grundrechte in der Krise

4. Vortrag: Thema Rechtsschutz in Krisenzeiten; Garantien der EMRK

5. Vortrag: Wege zum VfGH

1. Panel: Recht auf Krankheit?

2. Panel: Politisches Krisenmanagement und Rechtsstaat