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Verfassungsgerichliche Gesetzesbeschwerde durch Parteien von Gerichtsverfahren

Der Entwurf setzt die Möglichkeiten von Parteien eines Gerichtsverfahrens um, einen Gesetzesprüfungsantrag beim VfGH zu stellen

Zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden, nehmen die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter sowie die Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst wie folgt Stellung:
Nachdem sich der Bundesverfassungsgesetzgeber entschlossen hat, zusätzlich zum ohnedies gegebenen Rechtsschutz durch den EuGH eine weitere innerstaatliche Rechtsmittelmöglichkeit beim Verfassungsgerichtshof einzuführen, sodass künftig bis zu 5 Gerichte befasst sein können, gilt es nunmehr in der Ausführungsgesetzgebung die Folgen, von denen in den Stellungnahmen zur B-VG Novelle auch seitens der richterlichen Standesvertretungen gewarnt wurde – vor allem die Verfahrensverzögerungen – so gering wie möglich zu halten. Diesem Erfordernis entspricht der vorliegende Entwurf teilweise nicht.

Zunächst sei anerkannt, dass die in den Ausnahmekatalog der § 57 a Abs. 1 und § 62 Abs. 1 VfGG aufgenommen Materien tatsächlich Angelegenheiten betreffen, die auf Grund der zugrundeliegenden Sache und /oder der besonderen Betroffenheit der beteiligten Parteien keine Verzögerung durch ein Zwischenverfahren dulden. Dies gilt ohne Zweifel für die vorläufigen Entscheidungen, die in den Ziffern 3, 4, 7 und 13 angesprochen sind. Hier verwundert, weshalb vorläufige Entscheidungen in pflegschaftsgerichtlichen Verfahren (z.B. vorläufige Obsorge) nicht erwähnt sind. Der besondere Schutz, den das Sachwalterverfahren für Betroffene bereit hält, legt es auch nahe, die Bestellung des einstweiligen Sachwalters auszuklammern.

Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass die Entscheidungen im Zusammenhang mit Unterhalt, der für die Unterhaltsberechtigten oft von existentieller Bedeutung ist, keine Verzögerung dulden. Dass aber lediglich das Unterhaltsvorschussverfahren (Z 10) und das Abstammungsverfahren (Z 1) aufgenommen sind, nicht jedoch das Unterhaltsverfahren selbst, stellt einen Wertungswiderspruch dar. Erinnert werden darf auch daran, dass die Eröffnung der Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs in Unterhaltsverfahren seinerzeit dazu führte, dass – jedenfalls zu Beginn – zahlreiche das Verfahren erheblich verlängernde Rechtsmittel ergriffen wurden, von denen viele erfolglos blieben.

Ähnliches ist im Falle der Einführung der „Gesetzesbeschwerde“ in Unterhaltsverfahren zu erwarten.

Zu begrüßen ist, dass auch die miet- und wohnrechtlichen Verfahren in den Katalog integriert wurden, zeigt doch die Erfahrung der gerichtlichen Praxis, dass gerade in diesen Bereichen Rechtsmittel immer wieder nur zum Zwecke des Hinausschiebens einer vollstreckbaren Entscheidung benutzt werden.

Auch die Ausgestaltung der Einleitung des Verfahrens, die sowohl Eingaben und gerichtliche Tätigkeiten beim Verfassungsgerichtshof als auch beim betroffenen ordentlichen Gericht erfordert und wechselseitige Verständigungspflichten vorsieht, dient nicht der notwendigen Beschleunigung, sondern stellt eine Quelle von möglichen Fehlern, Missverständnissen und überflüssigen Reibungspunkten dar. Auf Grund der verfassungsrechtlichen Vorgaben des B-VG (Artikel 139 Abs. 1 Z 4 bzw. Artikel 140 Abs. 1 Z 1 lit d)) steht fest, dass ein Antrag an den Verfassungsgerichthof nach diesen Bestimmungen ein zulässiges Rechtsmittel gegen eine Entscheidung eines ordentlichen Gerichtes voraussetzt. Es wäre daher sinnvoll, wenn das Rechtmittel und der Antrag an den Verfassungsgerichthof (am besten in einem beides beinhaltenden einzigen Schriftsatz) beim ordentlichen Gericht, bei dem das zugrundeliegende Verfahren geführt wird, eingebracht werden. Sobald rechtskräftig über die Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit entschieden wurde, wird der Antrag dem Verfassungsgerichthof zur Entscheidung über die Gesetzesbeschwerde übermittelt.

Auch die Auswirkungen, die die Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf das Verfahren des ordentlichen Gerichtes haben sollen, bedürften über die vorgeschlagene Regelung in den § 57a Abs. 6 und § 62a Abs. 6 VfGG hinaus weiterer Überlegungen und gesetzlicher Klarstellung.

Zu bedenken wäre auch, dass nicht immer das Gericht, dessen Entscheidung bekämpft wird, über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet, sondern manchmal auch das übergeordnete Gericht. Hier wären jedenfalls ergänzende Regelungen im Entwurf vorzusehen.

Durch die vorgeschlagene vereinfachte und zeitsparende gemeinsame Einbringung von Rechtsmittel und Antrag wäre es auch nicht notwendig, die sonst erforderliche Präzisierung des Terminus „gleichzeitig“ vorzunehmen. Auch könnten Synergieeffekte zum Bespiel durch gemeinsame Entscheidung über die Verfahrenshilfe erzielt werden.

Der Verfassungsgerichthof und die Befürworter der Verfassungsnovelle haben seinerzeit zugesagt, der Verfassungsgerichthof werde so rasch als möglich, jedenfalls aber innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist entscheiden. Eine derartige Frist fehlt jedoch im vorliegenden Entwurf und wäre auch in Hinblick auf Artikel 6 EMRK im Gesetzestext zu ergänzen.

 

Dr. Gerhard Reissner, Vizepräsident der RiV
Mag. Christian Haider, Vorsitzender der BV 23 in der GÖD

Veröffentlicht am: 23. Jul. 2014

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