Salzburger Beschlüsse

Entschließung des Vorstandes an die Hauptversammlung der Vereinigung der österreichischen Richter anläßlich des Richtertages 1982      

Die Vereinigung der österreichischen Richter ist seit ihrem Bestehen um Ausbau und Bewahrung der richterlichen Unabhängigkeit bemüht. Richterliche Unabhängigkeit ist eine der Voraussetzungen für jeden Rechtsstaat. Die Geschichte zeigt aber, daß stets die Gefahr des Entstehens neuer Abhängigkeiten auch für die rechtsprechende Gewalt besteht. Diese zeitgerecht zu erkennen, aufzuzeigen und zu bekämpfen war und ist eine zentrale Aufgabe der Vereinigung der österreichischen Richter.

Um diese Zielsetzung sowohl für die Mitglieder als auch für die Öffentlichkeit zu verdeutlichen, möge die Hauptversammlung anläßlich des Richtertages 1982 beschließen, diese Aufgabe im besonderen Maße in den Satzungen hervorzuheben und dem Vorstand den Auftrag erteilen, alle fünf Jahre eine Generalversammlung abzuhalten, zu der ein jeweils aktueller Bericht zur Lage der richterlichen Unabhängigkeit zu erstatten sein wird. Der Vereinszweck “Wahrung und Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit” dient allen anderen, in § 3 der Satzungen aufgezählten Vereinszwecken und ist so bedeutend, daß eine ständige Diskussion der Bemühungen zur Erreichung dieses Vereinszweckes statutenmäßig verankert werden soll.

Dies geschieht in der Überzeugung, daß die Formen und Möglichkeiten einer Gefährdung der richterlichen Unabhängigkeit einem raschen Wandel unterlegen ist, oft aber nicht bald genug erkannt wird.

 

Aktuelle Thesen zur richterlichen Unabhängigkeit 1982

1. Die Hauptversammlung möge beschließen, daß die Satzungen der Vereinigung der österreichischen Richter wie folgt ergänzt werden:
Der bisherige § 22 der Satzungen der Vereinigung der österreichischen Richter erhält die Bezeichnung § 22 Abs. 1, dem angefügt wird ein

§ 22 Abs. 2 (Anm.: nunm. § 19 Abs 3 idF SÄ 2000):

Jedes fünfte Jahr ist die Hauptversammlung in Form einer Generalversammlung, das ist eine Hauptversammlung, zu der neben den in § 21 Abs. 4 (Anm.: nunm. § 18 Abs 4 idF SÄ 2000) angeführten Vereinsorganen alle Mitglieder des Vereins zu laden sind, einzuberufen. Auf ihre Tagesordnung ist als eigener Punkt ein Bericht des Vorstandes über die von den Vereinsorganen angewandten Mittel zur Erreichung des Vereinszwecks Wahrung und Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit (§§ 3,4) zu setzen.

Anläßlich des Richtertags 1982 erstattet der Vorstand in Form von kurzgefaßten Thesen seinen Bericht zur Lage der richterlichen Unabhängigkeit.

2. Wahrung und Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit stellen Anforderungen an den Gesetzgeber und die Gesellschaft, aber auch an den Richter selbst. Die Forderungen an den Gesetzgeber sind vom Bestreben getragen, die derzeitige Vollzugsrealität bei der Gestaltung der personellen Strukturen des Richterstandes dem gesatzten Verfassungsrecht (Art. 86 B-VG) im Sinne des Verfassungsgebotes nach richterlicher Unabhängigkeit anzugleichen.

 

An den Gesetzgeber und Gesellschaft:

3. Die Verfassung fordert zum Schutz der rechtsuchenden Bevölkerung unabhängige Richter, die in der Vollziehung der Gesetze unabhängig in jeder Weise von der weisungsgebundenen Verwaltung sein müssen, um den Bürger im Streitfall auch vor jedem staatlichen Ein- und Übergriff schützen zu können. Mit der 34. Gehaltsnovelle und der 1. Richterdienstnovelle 1979 wurde ein weiterer wichtiger Schritt zur Erreichung dieses Zieles getan. Die Personalhoheit ist jedoch weiterhin der weisungsgebundenen politischen Verwaltung überantwortet, der nach der Bundesverfassung dazu keine Kompetenzen zukommen. Auf dem Gebiet der Personal- und Planstellenbewirtschaftung bestehen nach wie vor Möglichkeiten für die Verwaltung, in die unabhängige Gerichtsbarkeit einzugreifen. Zur Vermeidung solcher Eingriffe muß die Personalhoheit über die unabhängige Gerichtsbarkeit im Bereich der Planstellenbewirtschaftung und Besoldung der unabhängigen Gesetzgebung überantwortet werden, die unmittelbare Planstellenverteilung ist den unabhängigen richterlichen Personalsenaten aufzutragen.

Das mit dem RDG 1961 begonnene und in der 34. Gehaltsgesetznovelle und der 1. Richterdienstgesetznovelle 1979 weitergeführte Reformwerk zur Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit ist daher durch die Beseitigung jeder Anwendungsmöglichkeit des Beamtendienstrechtsgesetzes auf die Richter und Richteramtsanwärter sowie durch eine Reform der Bestimmungen über die richterlichen  Personalsenate auf der Grundlage der von der Vereinigung der österreichischen Richter  erstellten Entwürfe fortzusetzen.

4. Diesem Ziel dient ebenso eine möglichst rasche Reform der Bestimmungen des Richterdienstgesetzes über die richterliche Aus- und Fortbildung sowie des richterlichen Disziplinarrechtes im Sinne der von der Vereinigung der österreichischen Richter erarbeiteten Grundsätze.

 

An die Richter:

5. Die Vereinigung hat die aus diesen Forderungen abzuleitenden gesetzlichen Regelungen, Beratungen und Maßnahmen durch eigene Arbeitsgruppen vorzubereiten und bis zu ihrem Abschluß zu begleiten.

6. Der einzelne Richter steht heute einerseits im besonderen Maße unter den Anforderungen der Erledigung des ständig steigenden Arbeitsanfalles, andererseits versuchen verschiedene politische Kräfte auf sein Fortkommen und damit zumindest  indirekt auch auf seine berufliche Tätigkeit Einfluß zu nehmen. Die Wahrung eines Abstandes, auch zu politischen Parteien und ähnlichen Gruppierungen, ist daher eine Anforderung an den Richter zur Wahrung der Glaubwürdigkeit seiner Unabhängigkeit.

7. Die Vereinigung fordert alle Richter auf, ihren Dienst an der rechtsuchenden Bevölkerung so schnell als es die Belastung zuläßt, nachzukommen und Rückstände zu vermeiden. Ungebührliche Verzögerungen in der Erledigung sind Rechtsverweigerungen und untergraben den Sinn richterlicher Unabhängigkeit.

8. Die Vereinigung betrachtet es als sittenwidrig, wenn Richter für ihre Karriere parteipolitische Interventionen, welcher Art auch immer, in Anspruch nehmen.

9. Das Verbot der Nebenbeschäftigung in Sinne des § 63 RDG untersagt vor allem solche Tätigkeiten, die die richterliche Unabhängigkeit bedrohen können. Der Richter darf neben seinem Amt  keine Stellung annehmen, die die Vermutung der Befangenheit in Ausübung seines Dienstes hervorrufen könnte.  Die Vereinigung empfiehlt daher den Richtern, während des aktiven Dienstes keiner parteipolitischen Betätigung nachzugehen und eine Mitgliedschaft bei den politischen Parteien zu meiden.