Quo vadis, Herr Minister?

Editorial 11/2015
von Sabine Matejka

Sehr geehrter Herr Bundesminister,

es ist nicht die Privatmeinung des „Gerichtsvorstehers in Leibnitz“ (Zit.), schon gar nicht ein Ausdruck seiner „persönlichen Präferenzen“ (Zit.), wenn er gewisse Vorgänge der letzten Monate und Wochen kritisiert. Als Standesvertreter – wie der Name schon sagt – treten wir nicht für unsere eigenen Interessen ein, sondern vertreten die österreichischen Richterinnen und Richter. Die Wahrung und Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit ist eine in den Satzungen der Richtervereinigung klar definierte Aufgabe, der wir uns verpflichtet haben. Das verstehen wir nicht nur als standespolitische, sondern auch als gesellschaftliche Verpflichtung. Wir haben bereits im Juni im persönlichen Gespräch mit Ihnen klar zum Ausdruck gebracht, welches Bild die Verdoppelung eines Vizepräsidentenpostens unter dem Einfluss einer höchst unappetitlichen, von Lokalpolitikern angeheizten Diskussion bei der Richterschaft und in der Öffentlichkeit erzeugt. Damit tun Sie unserem Stand nichts Gutes. Jeder noch so kleine Verdacht von politischer Einflussnahme auf Postenbesetzungen beschädigt unser Ansehen und das Vertrauen in die Justiz.

Als Frau möchte ich auch nicht, dass das Gleichbehandlungsgesetz als „Totschlagargument“ und Persilschein verwendet wird, wenn ganz offenkundig andere Motive vorliegen. Denn das ist sowohl eine Beleidigung der hochqualifizierten Frauen, als auch eine Missachtung der Leistungen der ebenso hoch qualifizierten Männer in der Justiz. Und dies ist nicht bloß die Privatmeinung einer Bezirksrichterin in Wien Leopoldstadt.

Im November 2015 finden in ganz Österreich Personalsenatswahlen statt. Die Kandidatinnen und Kandidaten stellen sich der Wahl durch alle aktiven Richterinnen und Richter (die Stimmabgabe ist Dienstpflicht!). In den nächsten 4 Jahren entscheiden sie über Geschäftsverteilungen, Dienstbeschreibungen und Besetzungsvorschläge. Die Personalsenate sind keine Verwaltungskörper, sie sind Gerichte. Als solche treffen sie ihre Entscheidungen unabhängig, frei von äußeren Einflüssen, aufgrund der vom Gesetz vorgegebenen Maßgaben und Kriterien. Genau so, wie wir alle tagtäglich unsere Arbeit erledigen und die uns als Richterinnen und Richtern übertragene Aufgabe erfüllen.

Die Personalsenate sind Grundpfeiler der richterlichen Unabhängigkeit. Ihre Besetzungsvorschläge dürfen nicht als bloße Empfehlungen behandelt werden. Die Personalsenatsmitglieder fassen ihre Beschlüsse nach eingehender Diskussion und wohlbegründet. Ihre Entscheidungen mehrfach zu missachten, empfinden viele als Schlag ins Gesicht. Als Standesvertretung kann man dazu nicht schweigen.

Wenn gleichzeitig das Justizministerium in Windeseile komplett umstrukturiert wird, dann regt sich unser Misstrauen wohl nicht völlig unbegründet. Die Betroffenen werden unter Missachtung aller Regeln eines qualitätsvollen Change Management vor vollendete Tatsachen gestellt. Strukturreformen, mit denen „alle die gut und tüchtig sind kein Problem haben“ (Zit.), sehen anders aus. Die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Justizministerium leisten seit Jahrzehnten qualitativ hochwertige Arbeit und „das Haus“ ist den Ministerinnen und Ministern immer loyal gegenüber und mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Auch dem Professor aus Eggenburg hat man das Vertrauen geschenkt, als er sein Amt antrat. Doch der vertrauensvolle und respektvolle Umgang miteinander ist in Mitleidenschaft gezogen worden, interne Kommunikation scheinbar oft ein lästiges Übel. Warum?

Die Justizverwaltung ist kein Selbstzweck, auch sie dient der Sicherung einer unabhängigen Justiz. § 205 RStDG sieht aus gutem Grund die Ernennung von Richterinnen und Richtern auf Justizverwaltungsposten im Justizministerium vor. Zugegeben, eine Kann-Bestimmung, die jedoch bislang nicht in Zweifel gezogen wurde – aus oben angeführten Gründen. Es ist höchst an der Zeit, dass daraus eine Muss-Bestimmung wird. Das war auch Ihr Versprechen, Herr Minister.

Nach Ihrem Amtsantritt haben Sie im Gespräch mit der Richtervereinigung versichert, dass Sie kein Politiker sind. Sie würden nicht auf die Unterstützung einer Partei bauen, sondern auf die Justiz und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Was hat Ihre Meinung geändert?

Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

Wenn schon ein parteiloser Justizminister – egal ob wissentlich oder aus bloßer Sorglosigkeit – an der Unabhängigkeit der Justiz kratzt, was wird passieren, wenn der nächste Minister klar „Farbe bekennt“? Werden dann auch in der Justiz (wie leider in vielen anderen Bereichen) die Nichten und Neffen von Parteifreunden oder brave Parteigänger mit Posten versorgt? Dazu darf es nicht kommen! Wir müssen heute etwas tun, damit unsere Unabhängigkeit und die hohe Qualität der österreichischen Justiz auch morgen noch gesichert sind.

Veröffentlicht am: 2. Nov. 2015

Kategorie: