Es fehlt der Richternachwuchs
Mit einer Bewerbungsoffensive und neuen Ideen will das Justizministerium um Nachwuchs für den Richterdienst im Land werben. Denn die Gerichte im Land tun sich schwer mit der Stellenbesetzung.
Haben Sie diese Schlagzeile gelesen? Nein? Kein Wunder, denn dieser Artikel erschien nicht in Österreich, sondern vor wenigen Tagen, am 30.9.2015, in der Badischen Zeitung mit der Schlagzeile „In Baden Württemberg fehlt der Richternachwuchs.“ Im Artikel wird in weiterer
Folge über Rekrutierungsprobleme der Justiz berichtet, dass es nicht mehr gelinge, die Besten für den Richterberuf zu interessieren. Ein Grund dafür sei die wenig attraktive Bezahlung und sei es notwendig geworden, die Einstellungsvoraussetzungen zu senken, um noch ausreichend Bewerber zu finden. „Ein lediger, kinderloser Richter verdient in Baden-Württemberg jetzt noch 3673,– Euro brutto, so wenig wie in keinem anderen Bundesland“ heißt es darin wörtlich. Zum Vergleich: In Österreich verdient eine Richterin/ein Richter in der ersten Gehaltsstufe sogar noch weniger, nämlich 3600,– Euro brutto. Für dieses Gehalt arbeiten Richterinnen und Richter, die nach dem Studium noch eine vierjährige Ausbildung durchlaufen haben (ordentliche Gerichtsbarkeit) beziehungsweise mindestens fünf Jahre an juristischer Berufspraxis erworben haben (Bundesverwaltungs- und Bundesfinanzgericht) zumeist deutlich mehr als 40 Stunden pro Woche und bemühen sich Tag für Tag, Prozesse möglichst effizient und mit großer Gewissenhaftigkeit, hoher fachlicher Kompetenz und in
angemessener Zeit zu entscheiden, und tragen maßgeblich dazu bei, dass der Wirtschaftsstandort Österreich attraktiv bleibt.
Aus einem Gehaltsvergleich, den die Presse im Jahr 2012 anstellte, geht hervor, dass die Einstiegsgehälter für Juristen bei durchschnittlich 35.000,– Euro brutto lagen. Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter haben im Jahr 2015 ein Jahresbruttoeinkommen von 33.160,– Euro. Man sieht also, auch in Österreich werden Richterinnen und Richter unterdurchschnittlich bezahlt, was auf längere Sicht nur dazu führen kann, dass es immer schwieriger werden wird, geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu finden.
Die richterliche und staatsanwaltschaftliche Standesvertretung fordert daher seit geraumer Zeit eine Besoldungsreform, mit der sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichheiten beseitigt werden sollen und gleichzeitig eine attraktive, konkurrenzfähige Gehaltsstruktur geschaffen
werden soll.
Natürlich ist die Forderung nach einer Besoldungsreform nie populär, weder in Zeiten der Hochkonjunktur und noch weniger in Zeiten angespannter Budgets, wo Sparzwänge den Bewegungsspielraum einschränken.
Man darf aber nicht übersehen, dass für das Funktionieren der Justiz neben sachlicher und personeller Ausstattung auch angemessene Gehälter der Richterinnen und Richter Voraussetzung sind. Die besten Juristinnen und Juristen sind nicht nur in der Justiz, sondern auch in
Anwaltskanzleien, Notariaten und großen Wirtschaftsunternehmen gesucht. Die österreichische Justiz schneidet bisher im internationalen Vergleich regelmäßig hervorragend ab. Sie ist leistungsfähig und zeigt sich auch außergewöhnlichen Herausforderungen gewachsen, wie
etwa bei der Bewältigung der auf Grund der Flüchtlingskrise massiv angestiegenen Verfahren wegen Schlepperei oder der Bewältigung unzähliger Groß- und Anlegerverfahren.
Um diesen Standard weiterhin zu halten, wird eine Besoldungsreform unumgänglich sein, damit auch in Zukunft die Besten für den Richterberuf gefunden werden können. Daher lautet die Forderung:
Besoldungsreform jetzt!