Eine vergebene Chance
Als der Herr Bundesminister für Justiz Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter anlässlich seines Amtsantrittes verkündete, das staatsanwaltschaftliche Weisungsrecht reformieren zu wollen, kam Freude und Hoffnung auf, dass sich in dieser in den letzten Jahren viel diskutierten, aber festgefahrenen Thematik endlich etwas bewegt. In Einklang mit internationalen Empfehlungen (z.B. Bordeaux Declaration des Konsultativrats der Europäischen Richter und des Konsultativrats der Europäischen Staatsanwälte im Rahmen des Europarats 2009 und Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu den Artikeln 5 und 6 der EMRK forderte Bundesminister Brandstetter nichts Geringeres als die Abschaffung der Weisungsmöglichkeit des Bundesministers und erhielt dafür breite Zustimmung auch in der Bevölkerung. Davon ist die nunmehr vorgeschlagene Lösung weit entfernt. Der Herr Bundesminister ist selbst ein gutes Beispiel dafür, wie schnell eine Situation entstehen kann, wo ein Rechtsprofessor, der auch als Verteidiger in Strafsachen tätig war, plötzlich als politische Weisungsspitze mit seinen ehemaligen Klienten konfrontiert wird. Er hat sofort reagiert und einen Weisungsbeirat eingerichtet, der in Fällen seiner Befangenheit zuständig wird und damit die schiefe Optik entschärfen soll. Eine grundsätzlich zu begrüßende Idee, wäre damit nicht schon von Anfang an die Gefahr der Schaffung eines Dauerprovisoriums verbunden gewesen.
Auch die rasche Einsetzung einer Kommission hochrangiger Expertinnen und Experten zur Prüfung einer Neugestaltung des ministeriellen Weisungsrechtes gegenüber den Staatsanwaltschaften war zu begrüßen und trug damit auch einer langjährigen Forderung der richterlichen und staatsanwaltlichen Standesvertretungen Rechnung. Es galt insbesondere den in der Öffentlichkeit bestehenden Anschein der Möglichkeit, aus parteipolitischen Motiven Einfluss auf die Tätigkeit der Staatsanwaltschaften nehmen zu können zu beseitigen bzw. zu reduzieren. Dabei ging es den Standesvertretungen niemals um eine gänzliche Beseitigung des Weisungsrechtes, doch soll die Kontrolle staatsanwaltschaftlicher Arbeit nach rechtlichen und keinesfalls nach parteipolitischen Prüfungsmaßstäben erfolgen. Die Standesvertretungen haben in der Expertenkommission ein Positionspapier mit drei Modellen für eine Reform vorgelegt. Dieses hat neben einer seitens der Standesvertretungen klarpräferierten „Ein-Gipfel-Lösung“ mit einer von einem Regierungsmitglied und damit der Politik losgelösten weisungsfreien Spitze, die dem Erfordernis nach einer Beseitigung der Anscheinsproblematik am besten entsprochen hätte, auch zwei weitere Alternativen enthalten. Nach diesen käme die Weisungsspitze (bei gleichzeitiger Beschränkung des ministeriellen Weisungsrechtes auf allgemeine „Policies“) bzw die rechtliche Beurteilung beabsichtigter ministerieller Weisungen jeweils der weisungsfrei zu stellenden Generalprokuratur zu. Leider zeigte sich schon sehr rasch, dass in der Kommission die Mehrheit gegen eine Regelung war, mit der eine Verfassungsänderung verbunden war und lenkte dies die weitere Diskussion maßgeblich. So wurde auf Vorschläge der Standesvertretungen nur sehr oberflächlich eingegangen. Wir hätten uns in dieser Sache viel mehr Mut und Initiative erwartet, ein gutes Modell einer Weisungsspitze zu erarbeiten und dem Herrn Bundesminister vorzuschlagen. Die politische Umsetzung wäre dann an ihm gelegen. Da sich die Expertenkommission allzu schnell auf ein Modell festlegte, das ohne tiefgreifende Verfassungsänderung umsetzbar ist, wurde die „Ein-Gipfel-Lösung“ mit dem Argument, auch ein Bundesstaatsanwalt sei nicht frei von politischem Einfluss, abgetan. Das ist jedoch nur insofern zutreffend, als dass eine politische Einflussnahme allenfalls in einem Bestellungsverfahren nicht auszuschließen ist, insbesondere, wenn die Bestellung durch das Parlament erfolgt. Das kann man aber keinesfalls mit der politischen Abhängigkeit und den Einflüssen der Tagespolitik, denen ein Minister ausgesetzt ist, vergleichen. Auch die Richterinnen und Richter des Verfassungsgerichtshofes werden nicht ganz frei von politischem Einfluss ernannt, eine politisch motivierte Rechtsprechung wirft man ihnen deshalb aber auch nicht vor.
Das nunmehr erzielte Ergebnis ist im Hinblick auf die Änderungen bei der Berichtspflicht positiv zu sehen doch hat sich unsere anfängliche Befürchtung leider bestätigt, dass ein kurzfristig geschaffenes Provisorium verrechtlicht und damit die Lösung des Problems wieder auf Jahre hinausgeschoben wird. Wenn nach fast einjähriger Befassung einer Expertenkommission bloß ohnehin bereits Vorhandenes beschlossen wird, ist darin wenig Reform zu erkennen. Ein bisschen Reform wird durchgeführt um die auf grundsätzliche Lösung Drängenden ruhig zu stellen, ohne gleichzeitig die Reformgegner zu verärgern.
Wir stellen uns jedenfalls darauf ein, dass die Diskussion über eine Neugestaltung der staatsanwaltlichen Weisungsspitze weitergeführt werden wird.