Schluss mit der Ungleichbehandlung!
Editorial 10/2014 von Christian Haider
Von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten wird bei Erfüllung ihrer Aufgaben zu Recht Fairness gefordert, dass Gleiches gleich behandelt werden muss und jedwede Diskriminierung zu unterlassen ist. Das Diskriminierungsverbot ist auf europäischer Ebene in der Charta der Grundrechte der europäischen Union statuiert und ist Maßstab für Richtlinien, aber auch für gesetzliche Bestimmungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten und letztlich auch Entscheidungsmaßstab für Gerichte. Diese Fairness, das Recht, nicht diskriminiert zu werden, fordern wir aber auch in eigenen Angelegenheiten.
Wenn Sie beispielsweise an einer chronischen Erkrankung leiden sollten, die zu einer körperlichen Beeinträchtigung führt, sodass Sie nicht mehr zu 100% einsatzfähig sind, können Sie mit Ihrem Dienstgeber die Vereinbarung treffen, Teilzeit zu arbeiten. Sind Sie Beamter oder Beamtin, oder auch Staatsanwältin oder Staatsanwalt in derselben Situation, kann – sofern dem keine wichtigen dienstlichen Interessen entgegenstehen – ebenfalls Teilzeit bewilligt werden. Trifft Sie dieses Los als Richterin oder Richter gibt es keine Möglichkeit der Teilzeitarbeit und wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben, als die Versetzung in den Ruhestand zu beantragen, obwohl Sie Willens und in der Lage wären, bei herabgesetzter Wochendienstzeit die Ihnen übertragenen Aufgaben ordentlich und gewissenhaft zu erfüllen.
Dafür gibt es keine sachliche Rechtfertigung und bleibt zu hoffen, dass dieser Missstand, auf den die Standesvertretung seit geraumer Zeit gebetsmühlenartig hinweist, mit der nächsten Dienstrechtsnovelle endlich behoben wird.
Aber auch im Besoldungssystem bestehen Ungleichheiten, die dringend beseitigt werden müssen. Die historisch gewachsene „Gerichtslandschaft“ unterscheidet zwischen Verwaltungsgerichten und der ordentlichen Gerichtsbarkeit (den Bezirks- und Landesgerichten als Gerichte erster Instanz) mit jeweils unterschiedlichen Gehaltsansätzen. Wer gegen die Entscheidung von Verwaltungsbehörden gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen will, muss sich, je nach entscheidender Behörde, an ein Landesverwaltungsgericht, das Bundesverwaltungsgericht oder das Bundesfinanzgericht wenden. Im Bereich der Strafrechtspflege entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob Anklage erhoben wird oder nicht und ein Gericht über Verurteilung oder Freispruch. Wer einen Anspruch im Wege der Zivilgerichtsbarkeit verfolgen will, muss sich zuerst kundig machen, welches Gericht für die Entscheidung zuständig ist. Sowohl Landes- als auch Bezirksgerichte sind für gewisse Angelegenheiten ausschließlich zuständig, oft entscheidet auch die Höhe des Streitwertes, welches Gericht in erster Instanz befasst werden muss, wenngleich auf Grund der Wertgrenzennovelle zuletzt viele Verfahren vom Landes- zum Bezirksgericht verlagert wurden. Die Bezirksgerichte sind in erster Instanz beispielsweise ausschließlich für Familienrecht, Sachwalterschaftsrecht und Mietrecht zuständig, während arbeitsrechtliche Streitigkeiten oder Sozialrechtssachen immer vor dem Landesgericht als Arbeits- und Sozialgericht zu verhandeln sind. Es werden sowohl an Bezirksgerichten als auch an Landesgerichten regelmäßig Verfahren von hoher Komplexität und Eingriffsintensität geführt. Während es in Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht um die wirtschaftliche Existenz und die soziale Absicherung geht, wird mit Obsorgeentscheidungen der Bezirksgerichte in familiäre Beziehungen eingegriffen, was oft jahrzehntelange Auswirkungen für die Betroffenen hat. Es wird keiner ernsthaft behaupten, dass ein Verfahren über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, sei es nach Kündigung, sei es nach Entlassung, bedeutender ist, als ein Verfahren über den Entzug der Obsorge für ein minderjähriges Kind. Trotzdem sieht das bestehende Besoldungssystem unterschiedliche Gehaltsansätze vor, wofür es keine sachliche Rechtfertigung gibt. Große komplexe Wirtschaftsverfahren werden mit höchstem Einsatz sowohl vor Straf- als auch vor Zivilgerichten verhandelt, und es bestehen auch hier unterschiedliche Gehaltsansätze zwischen Richter und Richterinnen und Staatsanwälte und Staatsanwältinnen.
Es ist höchst an der Zeit, für eine Reform des Besoldungssystems die sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichheiten beseitigt und gleichzeitig sicherstellt, dass sich auch weiterhin der Nachwuchs aus den am besten geeigneten Absolventinnen und Absolventen rekrutieren lässt.