Viel Arbeit – wenig Lohn…
Editorial 04/2014 von Gernot Kanduth
Am Landesgericht Klagenfurt läuft seit Ende Februar ein weiteres – diesfalls ziviles – Großverfahren im Zusammenhang mit der Hypo Alpe-Adria-Bank:
Der klagenden Bank stehen bei einem Gesamtstreitwert von € 50 Millionen 13 Beklagte gegenüber, 17 Streitverkündigungen sind bislang erfolgt, für die vorbereitende Tagsatzung wurden 11, für die mündliche Streitverhandlung vorläufig 20 Termine angesetzt.
Der zuständige Kausalsenat sieht sich gleichsam schulklassenartig mit 14 Parteien und zumindest ebenso vielen Rechtsanwälten konfrontiert. Während allerdings die Rechtsanwaltsgebühren eines 7-stündigen Verhandlungstages nach dem RATG gesamt zumindest über € 600.000,– und die Pauschalgebühr für die Verhandlung erster Instanz mehr als € 900.000,– ausmachen, bezieht der vorsitzende Richter (Gehaltsstufe 3) unter Annahme einer – von ihm glaubhaft geschilderten – derzeitigen 60-Stunden-Arbeitswoche ein Einkommen von netto € 12,70 pro Stunde, da ja alle mengenmäßigen und zeitlichen Mehrleistungen mit seinem Gehalt abgegolten sind (§ 66 Abs 2 RStDG). Dass auch pekuniäre Belohnungen nur in äußerst bescheidenem Umfang gewährt werden können, darf erwähnt werden.
Dieser Fall zeigt besonders drastisch auf, warum es höchste Zeit ist, unsere Forderung nach einer angemessenen Gehaltserhöhung endlich umzusetzen. Dabei sollte zu denken geben, dass auch die Richterin oder der Richter, die oder der in weniger „clamorosen“ Zivilverfahren über niedrigere Streitwerte, in Strafsachen über die Freiheit von Menschen, in familienrechtlichen Angelegenheiten über das Kindeswohl, in arbeitsrechtlichen Prozessen über das berufliche Schicksal Erwerbstätiger, in Insolvenzsachen über den Fortbestand von Unternehmen, in mietrechtlichen Auseinandersetzungen über die Wohnverhältnisse von Familien, in Sachwalterschaftsverfahren über die Geschäftsfähigkeit von Betroffenen, oder in Sozialrechtssachen über Ansprüche beeinträchtigter Leistungsempfänger entscheidet, demselben Gehaltsschema unterliegt.
Die Kolleginnen und Kollegen leisten dabei trotz personeller Engpässe hervorragende Arbeit und liegen bei internationalen Vergleichen regelmäßig im Spitzenfeld. Um diesen Standard beibehalten zu können, muss versucht werden, auch in Zukunft die besten Juristinnen und Juristen für das Richteramt zu gewinnen. Dafür muss wiederum – auch unter Berücksichtigung der langen (zumindest 4-jährigen) Ausbildungsdauer im richterlichen Vorbereitungsdienst – das Gehalt als wesentliches Entscheidungskriterium bei der Berufswahl einem Vergleich mit anderen juristischen Kernberufen standhalten und internationalen Standards entsprechen.
In diesem Zusammenhang sorgt nunmehr auch die besoldungsrechtliche Verankerung der Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungsgerichtes und des Bundesfinanzgerichtes im RStDG seit 1.1.2014 für ein weiteres Ungleichgewicht: Die niedrigere Entlohnung von Richterinnen und Richtern der Bezirks- und Landesgerichte im Verhältnis zu den Bundesverwaltungs- und Bundesfinanzrichterinnen und -richtern (bis zu € 563,10 brutto monatlich) ist sachlich nicht gerechtfertigt.
Dem unserer Forderung gebetsmühlenartig erwiderten Sparzwang ist entgegenzuhalten, dass die österreichische Gerichtsbarkeit der Volkswirtschaft ohnedies verhältnismäßig billig kommt: Am allgemeinen Wohlstand gemessen müsste für die Justiz rund 20% mehr Budget aufgewendet werden, um überhaupt erst den europäischen Durchschnitt zu erreichen. Österreich weist überdies einen extrem geringen (im europäischen Vergleich den viert niedrigsten) Anteil an Personalkosten im Verhältnis zu den Gesamtausgaben in der Justiz aus. Mit 109,8 % weist die österreichische Gerichtsbarkeit andererseits die bei weitem höchste Gebührendeckung im internationalen Vergleich auf. In einem privatwirtschaftlichen Kontext könnte man uns als gewinnorientiertes Unternehmen bezeichnen, im Gemeinwesen macht uns dies de facto zu „Nettozahlern“ (Vgl. dazu die Studie der Kommission für die Effizienz der Justiz (CEPEJ) des Europarates – Edition 2012).
Zurückkommend auf das einleitend erwähnte Verfahren scheint bemerkenswert, dass allein die Anwaltskosten der klagenden Partei, deren Alleinaktionärin bekanntermaßen unser Dienstgeber ist (und der bezeichnenderweise – unter anderen – die Kärntner Landesholding auf Beklagtenseite gegenübersteht), nach 31 (derzeit angesetzten) Verhandlungstagen knapp € 7 Millionen ausmachen werden – ein Betrag, mit dem die Mehrkosten der Anhebung der R 1a und R 1b-Gehälter der Richterinnen und Richter der Bezirks- und Landesgerichte auf R 1c (Schema der Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungsgerichtes und des Bundesfinanzgerichtes) für ein Jahr zu finanzieren sind.
Werden in einem Gemeinwesen Kürzungen mit dem Rasenmäher und Investitionen mit der Gießkanne vollzogen, kann auf konkrete Bedürfnisse nicht Rücksicht genommen werden. Das Bedürfnis nach einer funktionierenden, sozialen Frieden gewährleistenden und den Standort Österreich sichernden Gerichtsbarkeit sollte endlich erkannt und die Mittel dafür sollten zur Verfügung gestellt werden!