Die Zeit ist reif
Editorial 01/2014
von Werner Zinkl, Martin Ulrich & Gerhard Jarosch
Seit 16. Dezember 2013 hat Österreich eine neue Bundesregierung und mit dieser auch einen neuen Bundesminister für Justiz: o. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter.
Auch in der aktuellen Legislaturperiode erwarten die Justiz und ihren Bundesminister, insbesondere aber auch den Gesetzgeber neue, aber auch bislang ungelöste alte Herausforderungen.
Die Erwartungen an eine funktionierende Justiz sind zu Recht sehr hoch, die Bevölkerung hat auch einen Anspruch darauf. Die Verantwortung liegt dabei einerseits bei den Richterinnen und Richtern, den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten und allen in der Justiz tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich dessen auch bewusst sind und ihr Bestes geben, andererseits liegt sie aber auch bei den politisch Verantwortlichen – beim Bundesminister für Justiz und bei der Bundesregierung. Nur eine ausreichend ausgestattete Justiz, die unabhängig und frei von politischem Einfluss arbeiten kann, wird die hohen Qualitätsansprüche erfüllen können.
Den speziellen Bedürfnissen der Justiz muss endlich Rechnung getragen werden. Besondere Personalanforderungen erfordern besondere rechtliche Rahmenbedingungen, gleiches gilt für IT-Einsatz und sachliche und personelle Budgeterfordernisse. Die Zentralisierung dieser Bereiche gemeinsam mit der allgemeinen Verwaltung hat sich in der Vergangenheit als wenig förderlich erwiesen. Die Verantwortung hierfür im Bereich der Justiz, der dritten Staatsgewalt zu konzentrieren, wäre der zukunftsweisende Weg, am besten in Händen eines Rates der Gerichtsbarkeit. Neben einer Stärkung der Unabhängigkeit bedarf es auch einer adäquaten, der staatsrechtlichen Stellung entsprechenden Entlohnung. Ein neues Besoldungssystem soll der Stellung der Repräsentanten der dritten Staatsgewalt entsprechen, aber auch ein Gleichgewicht in der Besoldung der Richterinnen und Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und der Richterinnen und Richtern des Bundesverwaltungsgerichtes und des Bundesfinanzgerichtes schaffen.
Seit Jahrzehnten wissen wir, wie das ministerielle Weisungsrecht in Einzelstrafsachen der Glaubwürdigkeit der und dem Vertrauen in die Justiz schadet und noch mehr das Vertrauen in „die Politik“ erschüttert. Alleine der Anschein, dass es sich manche richten könnten, reicht dazu aus. Die Zeit ist reif, daran etwas zu ändern. Ein neues und besseres System für Weisungsspitze samt Hierarchie und möglichst schnelles, aber ebenso qualitätsvolles Berichtswegen bis in alle Details zu erfinden, geht aber nicht von heute auf morgen. Alle beteiligten Experten sollten die Systeme anderer Länder studieren und dann in Ruhe überlegen, wie man diesen wichtigen Teil des Rechtsstaates weiter entwickeln kann. Was sich jedenfalls nicht ändern wird: Jede Handlung eines Staatsanwaltes kann von den Gerichten kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert werden. Und das ist gut so. Wenn wir es gemeinsam schaffen, für die Staatsanwaltschaft eine moderne Organisationsstruktur und eine mit größtmöglicher Unabhängigkeit ausgestattete Weisungsspitze zu schaffen, können wir das Vertrauen der Bevölkerung in die Gerichtsbarkeit insgesamt stärken und so nebenbei einiges bei den Verfahrensabläufen beschleunigen.
All diese wichtigen Reformpunkte sind nicht Selbstzweck. Sie dienen der Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz sowie der weiteren Steigerung ihrer Qualität und Effizienz und damit allen in Österreich lebenden Menschen. Diese haben insbesondere ein Recht auf Strukturen, welche bereits den bloßen Anschein der Möglichkeit sachfremder Einflussnahme auf die dritte Staatsgewalt ausschließen. Dieser Verantwortung sollte sich auch die Politik „neuen Stils “bewusst sein.
Wie in der Vergangenheit auch, werden die Vereinigung österreichischer Richterinnen und Richter, die Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der GÖD und die Vereinigung österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte für eine weitere Stärkung der österreichischen Justiz und die berechtigten Anliegen ihrer Bediensteten eintreten. Die Einladung an unseren neuen Herrn Bundesminister, gemeinsam mit den Standesvertretungen in einem von gegenseitiger Wertschätzung getragenen Dialog gemeinsam konstruktive Lösungen für eine zukunftsorientierte Justiz zu erarbeiten, ist dabei eine Selbstverständlichkeit.
Da jedoch jedem Blick in die Zukunft stets auch ein Blick zurück vorangehen sollte, sei unserer Bundesministerin a.D. Frau Univ.-Prof. Dr. Beatrix Karl an dieser Stelle aufrichtiger Dank für ihre ernsthaften Bemühungen um die österreichische Justiz sowie ihren respektvollen und lösungsorientierten Dialog mit den Standesvertretungen ausgesprochen. Sie hat die Ressortleitung zu einem in medialer Hinsicht überaus fordernden Zeitpunkt übernommen. Dennoch ist es ihr mit Unterstützung vieler Kolleginnen und Kollegen gelungen, das Ansehen der Justiz nachhaltig zu verbessern. Für ihre private und berufliche Zukunft wünschen wir ihr alles Gute!