Über die Grenzen des Zumutbaren
Am 11.11.2014 entschied der EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren (C-530/13), dass auch die im Jahr 2010 – nach einer Verurteilung durch den EuGH im Jahr 2009 – novellierte Regelung des Vorrückungsstichtages altersdiskriminierend ist. Damit war klar, dass eine Reparatur des Gesetzes dringend erforderlich ist, wenngleich das Problem altbekannt war. Die Regierung entschied sich, das System auf eine gänzlich neue Basis zu stellen, alle Bundesbediensteten zwangsweise ins neue System überzuleiten und für Neueinsteiger völlig neue Regelungen zu schaffen. Der Begriff Vorrückungsstichtag kommt im neuen System gar nicht mehr vor, an seine Stelle tritt das Besoldungsdienstalter. Kurz gesagt, kein Stein bleibt auf dem anderen; es handelt sich bei der Neuregelung wohl um eine der einschneidensten dienstrechtlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte, die im Übrigen alle Bundesbediensteten betrifft, nicht nur Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte.
Die sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen starteten am 15.12.2014. Nachdem es zu keiner Einigung kam, wurde am 16.1.2015 die Regierungsvorlage an den Verfassungsausschuss übermittelt, am 19.1.2015 im Verfassungsausschuss behandelt und am 21.01.2015 im Plenum des Nationalrates beschlossen. Innerhalb von nur fünf Tagen wurde ein 40seitiger Gesetzestext ohne Erläuterungen beschlossen. Ohne Begutachtungsverfahren, ohne dass die Abgeordneten sich mit einer – zugegeben sperrigen – Materie auseinandersetzen konnten, ohne dass es zu einer sozialpartnerschaftlichen Einigung gekommen wäre und ohne dass sich die betroffenen Berufsgruppen mit den Auswirkungen seriös auseinandersetzen konnten, wurde ein grundlegend neues Besoldungssystem eingeführt. Das ist nicht nur ein Bruch der Sozialpartnerschaft, sondern widerspricht auch allen Gepflogenheiten unserer parlamentarischen Demokratie. Schon allein diese Vorgehensweise ist unzumutbar.
Wir haben, sobald uns der Entwurf zur Verfügung stand, versucht herauszufinden, welche Auswirkungen die Neuregelung für den richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Bereich haben wird und sehr schnell erkannt, dass die geplanten Regelungen für beinahe alle Bundesbediensteten finanzielle Nachteile bringen wird, die Gehaltskürzung aber dort am höchsten sein wird, wo die Vorrückung nicht alle zwei Jahre, sondern alle vier Jahr stattfindet. Darauf haben wir hingewiesen und in einer Mailaktion versucht, auch die Abgeordneten noch vor Beschlussfassung für diese Problematik zu sensibilisieren. Trotzdem wurde die Regierungsvorlage beschlossen, wenngleich in einem Entschließungsantrag vom selben Tag die Regierung aufgefordert wurde, die Regelung zu sanieren. Kurz gesagt, ein Gesetz wurde in dem Wissen beschlossen, dass es umgehend zu sanieren sein wird. Dass auf eine derartige Vorgehensweise nur mit massiven Protesten reagiert werden kann, sollte keinen verwundern und möchten wir uns auch an dieser Stelle nochmals bei allen Kolleginnen und Kollegen für die Bereitschaft bedanken, umgehend, solidarisch und mit der nötigen Konsequenz ein deutliches Zeichen zu setzen, dass mit der geschilderten Vorgehensweise die Grenze des Zumutbaren bei weitem überschritten wurde.
Inzwischen sind wir zum Glück einen Schritt weiter: Am 26.1.2015 sicherte uns die zuständige Staatssekretärin Mag. Sonja Steßl zu, dass es, bevor Nachteile schlagend werden, zu einer Reparatur kommen wird und hat sich auch die Bundesregierung in einem Vortrag an den Ministerrat vom 27.1.2015 ausdrücklich dazu bekannt, dass es zu keiner Beeinträchtigung der Lebensverdienstsumme kommen wird.
So wichtig die Rücknahme der Gehaltskürzungen auch ist, so wichtig ist es, dass mit der Neuregelung sichergestellt ist, dass die jungen Kolleginnen und Kollegen, also diejenigen die sich noch in der Ausbildung befinden oder erst in Zukunft die Karriere als Richter, Richterin, Staatsanwalt oder Staatsanwältin anstreben, nicht unter die Räder kommen und benachteiligt werden. Zuletzt muss auch noch darauf hingewiesen werden, dass eine Sanierung der am 21.01.2015 beschlossenen Regelung alleine nicht ausreichen wird. Schon bisher weist unser Besoldungssystem und Dienstrecht Ungerechtigkeiten auf, die dringend saniert werden müssen, damit eine Berufslaufbahn in der Justiz auch in Zukunft für die besten Absolventinnen und Absolventen attraktiv bleibt.