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Richterinnen und Richter
Den Kernbereich der Justiz bildet die Vollziehung der Gesetze durch Richterinnen und Richter. Die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte muss von wirtschaftlichen oder politischen Einflüssen frei sein. Daher ist schon durch die Verfassung festgelegt, dass Richter in Ausübung ihres richterlichen Amtes unabhängig sind.
Diese Unabhängigkeit ist kein persönliches Privileg der Richter, sondern eine für die Prozessparteien überaus wichtige Absicherung vor einer ungerechten Entscheidung. Wie sich diese Unabhängigkeit bei der Ausübung der richterlichen Tätigkeit auswirkt, erfahren Sie in diesem Kapitel.
Weiters erhalten Sie auch Antwort auf konkrete Fragen, wie zum Beispiel:
Wie wird man Richterin?
Haben Richter fixe Dienstzeiten?
Was ist ein Laienrichter?
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Richtern der ordentlichen Gerichtsbarkeit, also den Richterinnen und Richtern an den Bezirks-,Landes- oder Oberlandesgerichtes oder am Obersten Gerichtshof. Neben diesen Berufsrichtern soll auch das Institut des Laienrichters kurz dargestellt werden.
Die Berufsrichter
Richterinnen und Richter sind in Ausübung ihres richterlichen Amtes unabhängig. Das bedeutet einerseits, dass sie bei ihren Entscheidungen nur an die Gesetze, nicht aber an Weisungen eines Vorgesetzten gebunden sind. Richter entscheiden daher unabhängig von der Meinung z.B. der Präsidentin des Gerichtshofes. Nur im Rechtsmittelverfahren sind richterliche Entscheidungen überprüfbar. Auf der anderen Seite bedeutet die Weisungsfreiheit in der Praxis, dass Richter bei ihrer Entscheidung auf sich alleine gestellt sind. Es gibt also niemanden, auf den man die Verantwortung abwälzen kann. Daher wird in der Auswahl und Ausbildung besonderes Augenmerk auf die Fähigkeit zur selbstständigen Tätigkeit gelegt.
Die verfassungsgesetzlich garantierte Unabhängigkeit bedeutet aber auch, dass Richter unabsetzbar und unversetzbar sind. Damit wird ausgeschlossen, dass Richter zu einem beliebigen Zeitpunkt versetzt werden können, weil sie vielleicht nicht so entscheiden, wie es einer einflussreichen Persönlichkeit gefällt. Auch die Unabsetzbarkeit garantiert, dass Richter nicht beliebig außer Dienst gestellt werden können. Da Richterinnen und Richter auf Lebenszeit ernannt werden, kann auf diese Weise eine Einflussnahme auf die richterlichen Entscheidungen praktisch ausgeschlossen werden.
Eine Ausnahme von der Unversetzbarkeit und Unabsetzbarkeit bildet ein entsprechendes Urteil in einem Dienst- oder Disziplinargerichtsverfahren in Fällen, in denen sich ein Richter grob pflichtwidrig verhalten hat oder sonst seinen Dienstpflichten nicht mehr nachkommen kann. Diese Gerichte werden aus unabhängigen Richtern eines anderen Sprengels gebildet und können neben anderen Maßnahmen in bestimmten Fällen auch die Versetzung an einen anderen Dienstort oder in den Ruhestand aussprechen.
Richterinnen und Richter sind aber auch mit der Verwaltung der Gerichte betraut (Justizverwaltungssachen; zB als Gerichtsvorsteherin). Bei der Erfüllung dieser Aufgaben sind sie meist weisungsgebunden (siehe dazu auch das Kapitel „Gerichtsbarkeit“).
Die Laienrichter
Im 19. Jahrhundert endete in Österreich die Zeit der absoluten Monarchie. Eine wesentliche politische Forderung zur Begrenzung der absoluten Macht des Monarchen war die Beteiligung des Volkes an der Gerichtsbarkeit. Besonders betraf diese Forderung die Strafgerichtsbarkeit, soweit es um Kapitalverbrechen und politische Delikte ging. Das ist der Ursprung der auch heute in den Prozessordnungen noch vorkommenden Laienrichter.
Allgemein bekannt ist der Begriff des Geschworenen. Ein Schwurgericht wird aus drei Berufsrichtern und acht Laien (Geschworenen) gebildet. Das Schwurgericht entscheidet über Anklagen von Verbrechen, die mit Strafdrohungen von 10 bis 20 Jahren oder lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, sowie über bestimmte politische Delikte. Die Strafgerichtsbarkeit kennt auch Schöffensenate, die aus einem oder zwei Berufsrichtern (je nach Delikt) und zwei Laienrichtern bestehen und die über Delikte entscheiden, die mit Strafdrohung von über fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind. Geschworene und Schöffen werden nach dem Zufallsprinzip aus der wahlberechtigten österreichischen Bevölkerung ausgewählt.
Aber auch in der Zivilgerichtsbarkeit ist der Laienrichter nicht unbekannt. In Arbeitsrechtssachen entscheidet ein Senat bestehend aus einem Berufsrichter als Vorsitzenden und zwei fachkundigen Laienrichtern, von denen einer die Arbeitsnehmer-, der zweite die Arbeitgeberseite repräsentiert. In Handelssachen entscheidet in bestimmten Fällen ein Senat bestehend aus zwei Berufs- und einem fachmännischen Laienrichter aus dem Handelsstand.
Die richterliche Tätigkeit
Der Richterberuf ist überaus vielseitig. Die richterliche Tätigkeit umfasst die Verhandlungsvorbereitung und Verhandlungsführung, Recherche und Aktenaufbereitung, das Abfassen von Urteilen und Beschlüssen, die Ausbildung des richterlichen Nachwuchses und natürlich die laufende eigene Fortbildung.
Richter haben keine festen Dienstzeiten und können die Termine ihrer Verhandlungen selbst festlegen. Wann und wo Richter z.B. Urteile und Beschlüsse schreiben, bleibt ihnen überlassen. Manche Richter verrichten daher einen Teil ihrer Tätigkeit am Wochenende oder zu Hause, wo sie ungestört(er) arbeiten können. Der Umfang der richterlichen Tätigkeit bestimmt sich nicht nach Arbeitszeit (es gibt daher auch keine bezahlten Überstunden), sondern nach der Anzahl der zu bearbeitenden Fälle bzw. Akten.
Wie lange ein Verfahren dauert, wann ein Urteil ergeht oder ob ein Akt bearbeitet wird, wird in zahlreichen Statistiken erfasst und von der Dienstaufsicht beobachtet. So wird auch sicher gestellt, dass kein Akt verloren geht oder „vergessen“ wird. Richter sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und auf ihre Entscheidung kann kein Einfluss geübt werden, richterliche Entscheidungen sind nur durch das übergeordnete Instanzgericht überprüfbar.
Auch in diesem Beruf kommt es zunehmend zu Spezialisierungen, die schon auf Grund der Fülle der gesetzlichen Bestimmungen unumgänglich ist. Einige Sparten sollen hier kurz vorgestellt werden:
Strafrichter sind als Haft- und Rechtschutzrichter tätig oder entscheiden in der Hauptverhandlung. Nach dem Grundsatz der materiellen Wahrheitsforschung müssen sie alle Umstände erheben und berücksichtigen, die für und gegen die Angeklagten sprechen. In der strafrichterlichen Tätigkeit manifestiert sich die Hoheitsgewalt des Staates am deutlichsten. Die Strafe ist unter anderem auch Vergeltung für den Verstoß gegen die gesellschaftliche Ordnung. Strafrichter sind zu wesentlichen Eingriffen in das Freiheitsrecht des Einzelnen befugt. Sie entscheiden oft über hohe Freiheitsstrafen und sind dabei an das Gesetz und ihr Gewissen gebunden (siehe dazu auch Kapitel „Rechtssystem / Das öffentliche Recht“).
Zivilrichter entscheiden über einen privatrechtlichen Anspruch. Anders als der Strafrichter stehen vor dem Zivilrichter zwei „gleichrangige“ Prozessparteien (Kläger und Beklagte), die behaupten, einen bestimmten Anspruch zu haben. Dabei geht es um Geld, Mietverträge, Baumängel, Reparaturkosten, Verkehrsunfälle uvm. Zivilrichter sind oft spezialisiert, z.B. auf Mietrecht oder Unternehmensrecht. Grundsätzlich sind die Zivilrichter aufgerufen, zwischen den speziellen Parteien des Verfahrens Recht zu sprechen. Dabei wird von den Parteien der Umfang des Prozesses bestimmt. An ihnen liegt es, was alles zum Thema ihres Prozesses gemacht wird. Die Zivilrichter versuchen zunächst zwischen den Parteien eine Einigung (Vergleich) herbeizuführen. Gelingt dies nicht, erfolgt die Entscheidung nach Beweisaufnahme durch Urteil (siehe dazu auch Kapitel „Rechtssystem / Das Privatrecht“).
Familienrichter entscheiden über Scheidungen, in Kindschaftsangelegenheiten (Obsorge, Kontaktrecht) und Abstammungsverfahren, über Sachwalterschaften und im Verlassenschaftsverfahren. Mehr noch als im allgemeinen Zivilrecht steht im Familienrecht die Suche nach einer einvernehmlichen Lösung zwischen den Parteien im Vordergrund. Wenn Kinder involviert sind, gilt es unter allen Umständen, ihr Wohl zu wahren und sie bestmöglich aus den Konflikten der Eltern herauszuhalten. Daher sollen Familienrichter auch speziell geschult und besonders einfühlsam sein.
Sie entscheiden in Arbeitsrechtssachen und in Sozialrechtssachen gemeinsam mit zwei fachkundigen Laienrichtern aus dem Kreis der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber (siehe Senatsgerichtsbarkeit).
Zu den Arbeitsrechtssachen zählen alle Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern oder zwischen Arbeitnehmern im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis. So entscheidet das Arbeitsgericht beispielsweise in Streitigkeiten über Entgeltsanprüche (Lohnhöhe, Abrechnung von Überstunden, Sonderzahlungen), im Zusammenhang mit der Beendigung eines Dienstverhältnisses (Entlassung, Abfertigung, Kündigungsentschädigung) oder über Schadensersatzansprüche zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bzw Arbeitnehmern untereinander.
Sozialrechtssachen sind Streitigkeiten zwischen Sozialversicherungsträgern und Versicherten, beispielsweise über die Frage der Pensionierung, die Gewährung von Pflegegeld, Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder die Kostenerstattung durch eine Krankenversicherung. Wer von einem Sozialversicherungsträger (zB Pensionsversicherungsanstalt, Unfallsversicherungsanstalt oder Gebietskrankenkasse) einen Bescheid erhält, mit dem er nicht einverstanden ist, kann diese Leistung beim Sozialgericht einklagen. Der Bescheid tritt dann außer Kraft und das Gericht entscheidet in der Sache selbst.
Aufgabe der Exekutionsrichter ist es, vollstreckbare Ansprüche, die der Schuldner nicht freiwillig erfüllt, mit Hilfe staatlicher Zwangsgewalt durchzusetzen. Die Gläubiger können, wenn etwa trotz eines Urteils, in dem der Schuldner zur Zahlung eines bestimmten Betrages verpflichtet wird, keine Zahlungen geleistet werden, das Exekutionsgericht anrufen. In die richterliche Zuständigkeit fallen Zwangsversteigerungen von Liegenschaften und Räumungsexekutionen sowie Teile der Fahrnis- und Forderungsexekutionen und die Vollstreckbarerklärung von ausländischen Exekutionstiteln. Überwiegend werden exekutionsrechtliche Angelegenheiten aber von speziell ausgebildeten Beamten, den Rechtspflegern, erledigt.
Wenn ein Schuldner auf Dauer nicht in der Lage ist, all seine fälligen Forderungen zur gleichen Zeit voll zu befriedigen, so tritt an die Stelle der individuellen Rechtsverfolgung – etwa durch einzelne Exekutionen – eine kollektive Rechtsverfolgung. Ziel ist eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung. Das Insolvenzverfahren erspart den Gläubigern den mitunter kostspieligen Klags- und Exekutionsweg, weil sie ihre Forderung nur anmelden müssen. Die Insolvenzrichter tragen eine große Verantwortung, weil sie – zum Teil sehr kurzfristig – darüber entscheiden müssen, ob ein Unternehmen fortgeführt oder dessen Betrieb sofort eingestellt wird.
Richter entscheiden entweder alleine als Einzelrichter oder in Senaten. Senate setzen sich entweder ausschließlich aus Berufsrichtern oder aus Berufs- und Laienrichtern zusammen. Beispiele sind die Schöffengerichte im Strafverfahren oder die Arbeits- und Sozialgerichte. In Zivilrechtssachen entscheiden meist Einzelrichter. Rechtsmittelgerichte entscheiden hingegen in der Regel immer in Senatsbesetzung.
Der Weg zum Richterberuf in der Justiz
Die Gerichtspraxis
Nach Ablegung der Matura und Abschluss des rechtswissenschaftlichen Studiums (Jusstudium) haben alle Absolventen Anspruch auf die Zulassung zur Gerichtspraxis. Für sieben Monate stehen die Rechtspraktikanten in einem Ausbildungsverhältnis, in dem sie den Gerichtsbetrieb kennenlernen soll. Die Praktikanten werden in verschiedenen Gerichtsabteilungen zu konzeptiven Arbeiten und zum Schriftführen eingesetzt.
Die Absolvierung der siebenmonatigen Gerichtspraxis ist Voraussetzung dafür, um sich um die Planstelle eines Richteramtsanwärters zu bewerben. Die fachliche und persönliche Eignung der Aufnahmewerber werden eingehend geprüft. Die Ausbildungsrichter erstatten eine ausführliche Beschreibung der Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen der Praktikanten. Nach schriftlichen und mündlichen Aufnahmeprüfungen und einer psychologischen Eignungsuntersuchung erfolgt die Ernennung zum Richteramtsanwärter durch den Bundesminister für Justiz auf Vorschlag des Präsidenten des Oberlandesgerichtes.
Der richterliche Vorbereitungsdienst
Hinter diesem altmodisch anmutenden Begriff verbergen sich die vier Jahre der Ausbildungszeit zum Richter. Die Richteramtsanwärter durchlaufen verschiedene Stationen bei verschiedenen Gerichten, der Staatsanwaltschaft und beim Rechtsanwalt oder Notar und anderen Einrichtungen (z.B. Opferschutzeinrichtungen oder Bewährungshilfe). Daneben besuchen sie verschiedene Seminare und Kurse, um das Fachwissen aber auch die persönlichen Fähigkeiten im Umgang mit Menschen zu schulen. Verhandlungs- und Vernehmungstechnik, Zeitmanagement und spezielle soziale Fähigkeiten müssen erlernt werden.
Die Richteramtsprüfung
Am Ende der Ausbildungszeit steht die Richteramtsprüfung, die schriftlich und mündlich vor einer Prüfungskommission abzulegen ist. Nach bestandener Prüfung und der vierjährigen Praxiszeit bewerben sich die Richteramtsanwärter auf eine freie Richterplanstelle.
Die Ernennung
Die Ernennung zur Richterin auf Grund von (nicht bindenden) Vorschlägen richterlicher Personalsenate wird durch den Bundespräsidenten vorgenommen, der dieses Recht für die meisten Richterplanstellen an den Bundesminister für Justiz übertragen hat.
Richter haben bei Antritt ihrer ersten Planstelle folgenden Diensteid abzulegen:
„Ich schwöre, dass ich die in der Republik Österreich geltende Rechtsordnung unverbrüchlich beachten und meine ganze Kraft in den Dienst der Republik stellen werde“
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