GesbR-Reformgesetz
Die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter und die Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (BV 23) haben zu einem Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Unternehmensgesetzbuch zur Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts geändert werden (BMJ-Z10.078B/0001-I 3/2014) folgende Stellungnahme abgegeben.
1) Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts erfüllt nach wie vor eine wichtige „Auffangfunktion“ für gesellschaftliche Zusammenschlüsse, die nicht jenes Maß an Formalität, Publizität, Intensität oder Dauerhaftigkeit erfüllen, wie es für eine mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Gesellschaft erforderlich wäre.
Die nunmehr vorgeschlagenen Neuregelungen erscheinen durchwegs ausgewogen und sachgerecht; zu Recht weisen die Materialien beispielsweise darauf hin, dass exekutiv auch gesellschaftsgebundene Miteigentumsanteile verwertet werden können (§ 333 EO) und damit einem Gläubiger eines Gesellschafters durch Kündigung der Gesellschaft der Zugriff auf das Auseinandersetzungsguthaben offensteht. Daher sind auch Anteile an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht vor dem Zugriff von Gläubigern „immunisiert“. Folgerichtig schlägt der Entwurf auch eine § 135 UGB vergleichbare Regelung vor (§ 1212 idF des Entwurfs). Ausdrücklich begrüßt wird auch, dass das organisierte Zusammenwirken nicht Wesensmerkmal, sondern Rechtsfolge ist.[1]
2) Ganz allgemein ist allerdings problematisch, dass dieses Rechtsinstitut einer Vielzahl von Vereinigungen als Rechtsgrundlage dient, die zum Teil bloße Gelegenheitsgesellschaften sind; seien es nun Arbeitsgemeinschaften[2], Jagdgesellschaften[3] oder solche zur Betreuung einer pflegebedürftigen Verwandten[4]. In der gerichtlichen Praxis treten am häufigsten Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Abgeltung von Ansprüchen im Verhältnis von Eheleuten oder Lebensgefährten untereinander in Erscheinung, die unter dem Hinzutreten bestimmter Voraussetzungen eine GesbR bilden können[5]. Aus Sicht der Richterschaft sollten daher vornehmlich dafür praktikable Lösungen kreiert werden.
Bei allem Bedürfnis nach Rechtssicherheit darf nicht vergessen werden, dass viele dieser Zweckgemeinschaften konkludent ohne eine bestimmt ausgesprochene Vereinbarung abgeschlossen werden und sich deren Mitglieder gar nicht bewusst sind, welche Konsequenzen ihr auf die Erreichung eines bestimmten Zwecks gerichtetes Handeln hat. Daher sei an dieser Stelle nur vor einer allzu großen „Verrechtlichung“ gewarnt. Die GesbR soll nach wie vor eine vergleichsweise lose Personenverbindung ermöglichen, die ohne aufwendige Befassung von Rechtsanwälten und Steuerberatern gegründet, gelebt und aufgelöst werden kann. Bei Durchsicht des Entwurfs steht zu befürchten, dass durch die Reform eine „abgemilderte“ Form der OG geschaffen wird.
3) In nachstehenden Punkten scheint der Entwurf für Präzisierungen zugänglich:
a) § 1177 Abs 1 ABGB insinuiert, dass der Gesellschaft ein Name gegeben werden muss, was insbesondere in Ansehung der teilweise konkludent abgeschlossenen Zweckgemeinschaften wohl eher ab- als zuträglich ist.
b) Zu § 1178 ABGB kann die Überschrift „Gesellschaftsvermögen“ zu Missverständnissen führen, da die GesbR per se über keinerlei Rechtspersönlichkeit verfügt. Darüber hinaus erscheint es redundant zu definieren, welche Art von Vermögen die Gesellschaft(er) ihr Eigen nennt(nennen). Bei der hier wohl taxativen Aufzählung könnte die eine oder andere Vermögensart nicht berücksichtigt worden sein.
c) § 1180 Abs 2 ABGB übernimmt das Konzept der Einbringung von Sachen quoad sortem. Diese sollen „im Innenverhältnis so behandelt werden, als ob sie allen gemeinsam gehörten“. In diesem Zusammenhang ist allerdings bisher durchaus strittig, ob der einbringende Gesellschafter die Stellung eines Treuhänders der übrigen Gesellschafter einnimmt.[6] Die Treuhänderstellung hat wesentliche Bedeutung im Fall der Zwangsvollstreckung gegen den Einbringenden und im Fall der Insolvenzeröffnung über dessen Vermögen, könnten doch bei Annahme einer Treuhänderstellung die übrigen Gesellschafter die eingebrachte Sache exszindieren oder aussondern, was der mit einer derartigen Einbringung verfolgten Absicht der Beteiligten allgemein wohl am ehesten entsprechen wird. In § 1180 Abs 2 könnte daher ausdrücklich klargestellt werden, dass der einbringende Gesellschafter als Treuhänder hinsichtlich der Anteile der übrigen Gesellschafter gilt.
d) In § 1182 ABGB lässt der Entwurf Fragen der Stellung des bloßen Arbeitsgesellschafters offen. So ist weder in der Textierung noch in den ErlBem geklärt, inwieweit dieser Anteilseigner ist. Die derzeitige Fassung lässt vermuten, dass dieser an der Gesellschaft nicht beteiligt ist. Ob dies dem telos dieser Art von Gesellschaft immer entspricht, ist zu hinterfragen.
e) Zu § 1201 ABGB ist der Terminus „gesellschaftsbezogene Rechtsverhältnisse“ nicht verständlich. Sollten damit Forderungen oder Verbindlichkeiten gemeint sein, die im Zusammenhang mit der Erfüllung des Gesellschaftszwecks von allen Gesellschaftern gemeinsam eingegangen oder begründet wurden (wofür der vorletzte Satz des Abs 1 zu sprechen scheint, in dem von Sicherheiten für gesellschaftsbezogene Verbindlichkeiten die Rede ist), so wäre dies an geeigneter Stelle klarzustellen; ebenso, falls vielmehr ein Vertragsverhältnis gemeint sein sollte, wofür Abs 3 und 4 sprechen.
f) § 1202 Abs 2 ABGB könnte zu Missinterpretationen führen: Der ausscheidende Gesellschafter haftet nach dem Entwurfstext für vor seinem Ausscheiden begründete gesellschaftsbezogene Verbindlichkeiten gegenüber Dritten auch dann weiter, wenn er aus dem konkreten Rechtsverhältnis bereits ausgeschieden ist. Hier ist klar zu stellen, was mit „vor seinem Ausscheiden“ gemeint ist, nämlich das Ausscheiden aus der Gesellschaft oder (auch?) aus dem jeweiligen Rechtsverhältnis. Es wäre wohl unbillig, wenn der Gesellschafter aus der in Rede stehenden Verbindlichkeit bereits einige Zeit vor seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft entlassen worden wäre, dennoch für die seinerseits bereits beendete Verbindlichkeit bis zum Ausscheiden aus der Gesellschaft weiter haften würde.
g) § 1208 Z 3 ABGB wäre an das IRÄG 2010 anzupassen. Dabei muss der Gesetzgeber gewissermaßen „Farbe bekennen“, ob die dort vorgesehene Rechtsfolge der Auflösung der Gesellschaft an jede Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geknüpft werden soll (was nicht sachgerecht erscheint) oder ob dies nur gelten soll, wenn das Verfahren nicht als Konkursverfahren, sondern als Sanierungsverfahren geführt wird. Kommt ein Sanierungsplan zustande, so erscheint die Rechtsfolge des § 1208 Z 3 ABGB nicht sachgerecht. Allerdings kann ein Sanierungsplan während des gesamten Insolvenzverfahrens gestellt werden. Ein mehrjähriger „Schwebezustand“ erscheint den anderen Gesellschaftern jedoch nicht zumutbar. Daher könnte etwa vorgesehen werden, dass zwar die Eröffnung eines Konkursverfahrens grundsätzlich zur Auflösung der Gesellschaft führt, sofern nicht innerhalb einer bestimmten Frist (zB 60 Tage) danach ein Sanierungsplan abgeschlossen wird. Für den Fall der Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens stellt § 1208 Z 3 ausdrücklich auf die Rechtskraft ab. Gleiches sollte auch für die Eröffnung des Verfahrens vorgesehen werden. Dadurch werden Streitfragen vermieden. Einem Rekurs gegen den Konkurseröffnungsbeschluss kommt ja keine aufschiebende Wirkung zu (§ 524 ZPO). Die strenge Rechtsfolge der Auflösung der Gesellschaft soll aber nur an eine rechtskräftige Eröffnung des Konkursverfahrens geknüpft werden. Zur Vermeidung eines Umkehrschlusses aus dem zweiten Fall von § 1208 Z 3 sollte dies im Entwurf ausdrücklich klargestellt werden.
4) Zusammenfassend handelt es sich um einen gelungenen Vorschlag, der auf ein fruchtbares Zusammenwirken von Legistik und Wissenschaft zurückzuführen ist. Der Entwurf wird daher mit den dargelegten Modifikationen ausdrücklich befürwortet.